Some might say…

Der liebenswerte Einfluss des Brit Pop und die Fußballkultur der Stadt machen City zu einem Klub, der vieles ist. Nur nicht langweilig. Carsten Germann, Premier-League-Autor bei SPORT BILD, hat für das FohlenEcho festgestellt, dass bei Manchester City alles am Ende der Straße beginnt.

Manche werden sagen… Manchester City steckt im schwierigen Spannungsfeld eines luxuriösen Mäzenatentums. Manche werden aber auch sagen, dass der Klub auch im 21. Jahrhundert noch für die solide Working Class steht. Um die Ambivalenz rund um die „Citizens“ zu verstehen, muss man die Geschichte des Vereins und seiner leidgeprüften Anhänger kennen. Lange vor dem Einstieg der Macher vom Persischen Golf. Der liebenswerte Einfluss des Brit Pop und die Fußballkultur der Stadt machen City zu einem Klub, der vieles ist. Nur nicht langweilig. Carsten Germann, Premier-League-Autor bei SPORT BILD, hat für das FohlenEcho festgestellt, dass bei Manchester City alles am Ende der Straße beginnt.

Der Löwe war tot. Die letzte Schicht stand unmittelbar bevor. An einem trüben Juli-Sonntag im Jahr 2003 öffnete das Stadion an der Maine Road zum unwiderruflich letzten Mal seine Pforten. Ein leiser Windhauch über dem Rasen, in der Ferne ein bellender Hund und der monotone Verkehrslärm, der vom Motorway M6 herüber rauschte, bildeten die Geräuschkulisse. Mehr war nicht zu hören. Irgendwie gespenstisch. An diesem Morgen im Juli 2003 musste Ian Maycock, Auktionär bei Smith & Hodkinson in Manchester, gleich zwei traurigen Pflichten nachkommen. Zum einen galt es, die rund 1.000 anwesenden Fans im Stadion an der Maine Road zu bitten, sich für eine Gedenkminute zu Ehren von Marc Vivien Foé, Nationalspieler Kameruns in Diensten von Manchester City, zu erheben. Foé war am 25. Juni 2003 beim FIFA Confederations Cup in Frankreich während des Spiels gegen Kolumbien an einem Gehirnschlag verstorben.

Zum Anderen musste Maycock an diesem Sonntagmorgen die Versteigerung zahlreicher Einzelteile des stillgelegten Stadions an der Maine Road leiten. Das war für den Versteigerungs-Profi eigentlich nichts Neues. Aber eben nur eigentlich. Mit der legendären „Dell“, dem ehemaligen Stadion des FC Southampton, oder dem alten Stadion an der Filbert Street von Leicester City hatte er schon andere Arenen „abgewickelt“. Doch die Versteigerung „seiner“ Maine Road verlangte dem City-Fan einiges ab. „Es ist furchtbar traurig, aber es muss irgendwie weitergehen“, kommentierte Maycock den wohl schwierigsten Tag seines (Fan)-Lebens.

Ein Stadion unterm Hammer

Nach sieben Stunden Zum-Ersten-zum-Zweiten-und-zum-Dritten war der langjährige Dauerkarteninhaber bedient. Manchester City am Ende der Straße. Am letzten Tag in der Geschichte des altehrwürdigen Stadions an der Maine Road hatte man bei den „Sky Blues“ mehr als nur eine Träne im Knopfloch. „Bye, buy Maine Road“, titelte das Fußballmagazin When Saturday comes (WSC) im September 2003. Am Ende der Straße ähm… des Tages belief sich der Gewinn für Manchester City auf über 520.000 Euro. Wenige Jahre später, nach dem Einstieg der Investoren vom Persischen Golf, sollte dieser Betrag lächerlich anmuten.

Was viele im modernen Etihad Stadium schnell vergessen hatten: Manchester City wäre ohne die Maine Road nicht denkbar. Das ausrangierte Stadion definierte einen Klub, der über Jahrzehnte auf der Suche nach sich selbst war. Neal Beatty, City-Anhänger aus Salford Square, hatte ab 1979 seinen Stammplatz auf dem „Kippax“, der Heim-Tribüne der „Sky Blues“ an der Kippax Street. „Ich habe viele gute Erinnerungen an die Maine Road,“ sagte Beatty dem Autor, „der Lärm auf dem Kippax, die Idioten, die auf die Stehplatzstufen pissten, der Bierdunst und das ungenießbare Essen in der Sam Cowen Bar, das alles gehörte irgendwie dazu.“

Die Maine Road war eine Herzensangelegenheit

Denn Manchester City und die Maine Road sind eine Herzensangelegenheit. „Der Verein, die Fans und das Stadion an der Maine Road haben in England eine absolute Sonderstellung“, weiß Ex-Bundesligaprofi Maurizio Gaudino. Der frühere Frankfurter ist neben Torwart-Legende Bernd „Bert“ Trautmann († 2012), Ex-Nationaltorhüter Eike Immel, Dietmar Hamann, Uwe „The Bomber“ Rösler oder Michael Tarnat einer von vielen deutschen Profis bei Manchester City. Gaudino war 1994/95 maßgeblich an der Rettung vor dem Abstieg aus der Premier League beteiligt. „Die Fans in Manchester sind sehr begeisterungsfähig, sehr fair und sehr offen“, sagt Gaudino, „und ihre Helden vergessen sie nie“.

Nach der Umwandlung des „Kippax“ in eine schmucke, dreistöckige Sitztribüne (1995) bot die Maine Road in ihrer letzten Phase 48.000 Zuschauern Platz. Sie garantierte eine nahezu einmalige Fußball-Atmosphäre. Für viele Fans blieb der 5:1-Triumph über den Stadt- und Erzrivalen Manchester United im Jahr 1989 das beste Spiel, dass je zwischen Maine Road und Platt Lane stattgefunden hatte. Unvergessen auch das 5:1 über Charlton, mit dem sich die Himmelblauen am letzten Spieltag der Second Division 1985 dank der besseren Tordifferenz den Aufstieg sicherten. „Die besten Zeiten“, schwadroniert City-Fan Mark Burns aus Whitefield bei Manchester, „waren die Siebziger, als wir so ziemlich jedes Spiel mit 4:0 gewonnen haben. Und der Kippax hat gerockt.“

In Manchester City steckt auch viel Brit Pop

Gerockt haben an der Maine Road noch ganz andere: Jon Bon Jovi und Guns´N’Roses gastierten hier Anfang der 1990er-Jahre ebenso wie die Krawallbrüder Liam und Noel Gallagher von Oasis, beide bekennende City-Fans. Im Etihad Stadium hängen Banner, die die Songs dieser Band und die Leidensfähigkeit der City-Fans spielerisch verbinden. Some might say, we will find a brighter day, ist nur eine von vielen Anleihen bei Manchesters berühmtester Band. Die Oasis-Jungs sind die bekanntesten, aber nicht die einzigen Promi-Fans der Himmelblauen. Der The-Cult-Gitarrist Billy Duffy, der The-Fall-Frontmann Mark E. Smith oder der ehemalige Schlagzeuger Alan „Reni“ Wren von The Stone Roses gehören ebenfalls zum exklusiven Kreis der himmelblauen Edelfans. Manchester rockt im Rhythmus der „Citizens“. Rund um den bereits 1980 verstorbenen Joy-Division-Sänger Ian Curtis und dem 1999 einem Herzanfall erlegenen New-Order-Produzenten Rob Gretton traf man sich in den legendären Manchester-Szene-Clubs wie The Haçienda.

Später waren auch Mitglieder der Band Doves und Badly Drawn Boy als Dauerkarteninhaber im Fokus der Fotografen. Badly Drawn Boy, Doves und natürlich Oasis sorgten mit ihren Konzerten 2003 für den musikalischen Abschied, den die Maine Road verdient hatte. There and Then.

Diese liebenswerte Subkultur ist gerade im Erfolgs-Rausch des letzten Jahrzehnts nicht verloren gegangen. Ebenso wie der Zauber des Neuanfangs. Der Film „Blue Moon Rising“ zeichnete diese unverkennbare Aufbruchsstimmung von 2009 nach. Für die Fans, die im Mittelpunkt der Dokumentation standen, schien die Zeitenwende zum Guten gekommen. Stop the Clocks!So würden es Oasis sicherlich formulieren…

Vor gut 20 Jahren sogar drittklassig

Die in „Blue Moon Rising“ vorgestellten Fans wie Pete ,,The Brains“ Watson, Adam White, Danny Godfrey und Steve „The Driver“ Haley, der die Freunde mit einem Renault Espace namens Helios zielsicher durch England chauffiert, waren, wie viele andere, voller Vorfreude auf das Kommende. „Es waren glückliche Tage“, erinnert sich Steve Haley an die ersten Monate der Saison 2009/2010, als der City-Express mit Stars für wieder mal 150 Millionen Euro langsam ins Rollen kam. Coach Mark Hughes war sicher: „Citys Fans wurden in der Vergangenheit immer wieder enttäuscht. Wir schulden ihnen etwas.“ Die Anhänger der „Sky Blues“ hatten bis dahin viel mitgemacht. City stieg 1998 sogar in die dritte englische Liga (Football League One) ab. Unter der als „Mighty Mouse“ bekannten England-Legende Kevin Keegan gelang 2001 die Rückkehr in die Premier League, zwei Jahre später verließ man dann das traditionsreiche Stadion an der Maine Road.

„Blue Moon Rising“ hielt sich zunächst an die großen Erfolge aus der Vergangenheit von Manchester City. Die „Sky Blues“ waren 1956 mit dem unvergessenen deutschen Torhüter Bernd „Bert“ Trautmann FA Cup-Sieger, zwölf Jahre später dann englischer Meister, und sie gewannen 1976 den englischen Liga-Pokal. Die 76 – eine Zahl, die im Film, aber auch im realen Leben der ManCity-Fans bis zum 13. Mai 2012 eine gewichtige Rolle spielte.

Knapp vier Jahre zuvor hatte in Manchester eine neue Zeitrechnung begonnen. Ein Konsortium aus dem Golfstaat Abu Dhabi übernahm den Verein im September 2008 vom thailändischen Geschäftsmann mit dem reporterfreundlichen Namen Thaksin Shinawatra. Für umgerechnet 185 Millionen Euro. Mit der Übernahme durch die Abu Dhabi-United-Gruppe von Scheich Mansour bin Zayed al Nayhan wurde in Manchester zumindest finanziell die Uhr auf null gestellt.

Übernahme: Selbst der „King vom Kippax“ fand es gut…

Die Anhänger von Manchester City hatten bei dieser Entscheidung keine Gewissensbisse. Protestmärsche und Dauerkarten-Verbrennungen wie sie bei der berühmten Übernahme ihres Erz- und Stadtrivalen United durch die US-amerikanische Familie Glazer im Jahr 2005 zu sehen waren, blieben aus. Dave Wallace, Herausgeber des Fanzine „King of the Kippax“, sprach im Dezember 2017 das aus, was viele City-Anhänger bis heute denken. „Der Verein befand sich nicht in einer Identitätskrise“, sagt Wallace, „als der Scheich kam, waren wir am Ende, sportlich – und auch wirtschaftlich. Alles ging den Bach runter. Und jetzt spielen wir diesen wunderbaren Fußball. Dafür müssen wir dankbar sein. Das sehen die meisten Fans so.“ Schuldgefühle sind den City-Anhängern wie Wallace bis heute fremd: „Ich weiß, dass wir uns schuldig fühlen sollten, weil wir im Lotto gewonnen haben, wie die United-Fans sagen. Tun wir aber nicht. Es ist ganz einfach: Fußballfans wollen, dass ihre Mannschaft gewinnt.“

Stop the Clocks: Das Ende des Titel-Fluchs

Der scheinbar ewig währende Titel-Fluch von Manchester City endete am 14. Mai 2011. Im englischen Fußballtempel von Wembley bezwangen die „Citizens“ Stoke City im FA Cup-Finale mit 1:0. Der Ivorer Yaya Touré ließ alle Spötter mit seinem wuchtigen Treffer gegen die „Potters“ verstummen. Nach der Siegerehrung wurde beinahe genüsslich an der Uhr gedreht. Die Anhänger der „Sky Blues“ präsentierten ein schwarz-weißes Banner mit der Aufschrift „0 Years“. Die passende Antwort auf Manchester Uniteds Zähler-Plakat mit den titellosen Jahren des Nachbarn aus den Jahren davor. Am 13. Mai 2012 galt dann endgültig: Stop the Clocks!

Im wahrscheinlich dramatischsten Meisterfinale der Premier-League-Historie beendete Manchester City den Meister-Fluch aus 44 Jahren. Und fand sich irgendwie selbst. Ein 3:2 gegen die Queens Park Rangers in der Nachspielzeit, herausgeschossen mit zwei Treffern nach der 90. Minute vom Ex-Wolfsburger Edin Dzeko und dem damaligen Maradona-Schwiegersohn Sergio Agüero (Foto oben: Imago Images/Sportimage), ließ das Etihad Stadium zum Tollhaus werden. Ein Tag, an dem du sogar als Reporter nach Schlusspfiff eine kleine Pause brauchtest…

„Es hat sich angefühlt, als ob es der Tag ist, auf den wir 20 Jahre lang hingearbeitet hatten“, erinnert sich City-Anhängerin Selina Travis an den erwartungsfrohen Einmarsch der Zuschauer und an die gigantische Erwartungshaltung rund um das Etihad Stadium. Draußen saßen die Traditionalisten. Sie hatten keine Karten für das Match bekommen und verfolgten das Spiel mit mitgebrachten Radios und auf Betonblöcken sitzend. „Es war kein gewöhnliches Spiel“, sagt City-Anhänger Mishka Henner, „es war das Spiel, in dem Jahrzehnte voller Frust beendet werden sollte.“

So ein Drehbuch lässt sich nicht schreiben – und auch nicht kaufen. Wenn es irgendwann eines Beweises bedurft hat, dass der englische Premier-League-Fußball trotz aller Kommerzialisierungsmaßnahmen, aller Zähmungsversuche, aller externen Einflüsse, lebendig ist, dann erbrachte ihn Manchester City mit diesem wahnsinnigen Finish.

Dass es zwei Minuten vor dem Ende noch 2:1 für den vor dem Spiel noch abstiegsgefährdeten Gegner aus London stand, sorgte auf den Rängen für blankes Entsetzen. Nur mit einem Sieg konnte City erstmals Premier-League-Meister werden. Die ersten Fans flüchteten aus dem Stadion, kauerten in Tränen aufgelöst vor den Eingängen.

Als die „Citizens“ unmittelbar nach dem Ausgleich im Mittelfeld den Ball verloren, fand auch Chris Grogan seinen Platz in der Premier-League-Übertragungshistorie. Wie ein Besessener hämmerte er seinen City-Schal auf den Sitz hinter sich. „Ich konnte einfach nicht glauben, was passiert“, erzählt City-Fan Ian Thomas später. Für ihn waren es wohl die schlimmsten Minuten seines Lebens. Nach dem 2:0-Auswärtserfolg bei Newcastle United hatte sich Thomas – in aller gebotenen englischen Voreiligkeit – eine Tätowierung mit dem Vereinslogo und dem Schriftzug „Premier-League-Meister 2012“ stechen lassen…

Noch mal Glück gehabt. Manchester Citys Titel-Premiere in der englischen Fußball-Eliteklasse war auch eine Geschichte der Details. Weiter oben ließen die bereits beim 1:0-Halbzeitstand stark angeschäkerten Jungs von Oasis die Champagner-Korken knallen. Sie spielten in ihrer VIP-Loge die Formel-1-Siegerehrung nach. Champagne Supernova.

Dieser Text des Autoren und England-Experten Carsten Germann (Leitender Redakteur bei www.LigaLIVE.net) ist erstmals im „FohlenEcho – Das Magazin“, Ausgabe 68, erschienen. Wenn ihr das „FohlenEcho - Das Magazin“ auch regelmäßig in eurem Briefkasten haben wollt, dann macht euch Borussia unter mitglied.borussia.de!

At the End of the Main Road: Die Fans verlassen das City-Stadion nach dem letzten Spiel am 11. Mai 2003. Foto: Imago Images/PA Images
Blue Moon Rising – oder: Ein Verein erwacht. Manchester-City-Fans vor dem siegreichen FA-Cup-Finale 2011. Foto: Imago Images/Colorsport
Die legendären Gallagher-Brüder (hier Liam) zählen zu den prominenten City-Fans. Foto: Imago Images/Sportimage
Stop the Clocks: Die Meisterschaft 2012 sorgte für einen Jubelrausch. Foto: Imago Images/Sportimage

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