„Erzählt meine Geschichte weiter“ - Zeitzeugengespräch zum Holocaust-Gedenktag

Der Bildungspark MG bringt politische Bildung für junge Menschen in den BORUSSIA-PARK. Rund um den Holocaust-Gedenktag am heutigen 27. Januar ermöglichte er in Kooperation mit dem Verein „Zweitzeugen“ zahlreichen Schülern ein Zeitzeugengespräch.

Am heutigen Donnerstag jährt sich zum 77. Mal der Tag, an dem die Überlebenden im Konzentrationslager Auschwitz befreit wurden. Im Rahmen des seit 2004 bestehenden „Erinnerungstag im deutschen Fußball“ gedenken die DFL und Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga auch in diesem Jahr rund um den 27. Januar der Opfer des Nationalsozialismus.

Der deutsche Profifußball mahnt demnach bereits zum 18. Mal: „!Nie wieder“. Die gleichnamige Initiative, die den Erinnerungstag initiiert hat, richtet sich gegen Rassismus, Diskriminierung und Antisemitismus. Das Bündnis besteht aus Einzelpersonen, Fangruppen und Fanprojekten, Vereinen, Verbänden und Institutionen insbesondere aus dem Fußball. Das gemeinsame Ziel des Erinnerungstages ist es, einen Beitrag zu einer lebendigen Erinnerungskultur zu leisten und sich für ein respektvolles, wertschätzendes Zusammenleben starkzumachen.

Der Bildungspark MG, der politische Bildung für junge Menschen in den BORUSSIA-PARK bringt, ermöglichte in Kooperation mit dem Verein Zweitzeugen rund um den Holocaust-Gedenktag am 27. Januar zahlreichen Schülern ein Zeitzeugengespräch.


Als sich die Videokonferenz nach gut zwei Stunden langsam dem Ende zuneigt, meldet sich eine Schülerin zu Wort: „Wir behandeln das Thema natürlich im Unterricht, aber auf diese Art und Weise ist es noch einmal etwas ganz anderes. Ich musste meine Kamera zwischendurch immer mal wieder ausmachen, weil die eine oder andere Träne geflossen ist. Danke für deine Geschichte.“

Sie spricht damit vielen Zuhörenden an diesem Freitagnachmittag aus der Seele. Denn die Geschichte, die Michaela Vidláková zuvor erzählt hat, ist in vielen Momenten nur schwer zu ertragen, aber sie ist historische Realität. Die 85-Jährige, die von ihrem Rechner in Prag zugeschaltet ist, ist im Dezember 1942, kurz vor ihrem sechsten Geburtstag, gemeinsam mit ihrer Familie nach Theresienstadt deportiert worden. Sie ist eine der wenigen, die den Holocaust der Nationalsozialisten überlebt hat und eine der letzten Zeitzeuginnen dieses grausamen Genozids.

Das Gespräch zwischen Zeitzeugin und Mönchengladbacher Schülerinnen und Schülern haben der Bildungspark MG und der Verein Zweitzeugen ermöglicht. Die Resonanz hat alle vorherigen Erwartungen übertroffen, steigt doch während der ersten Minuten die Teilnehmerzahl der Videokonferenz stetig weiter an. Am Ende sind es 320 Schülerinnen und Schüler, die hören wollen, was Michaela Vidláková zu erzählen hat. „Wir hatten zunächst mit 60 bis 70 Teilnehmenden gerechnet, dann kamen immer mehr Anmeldungen und wir mussten unseren Zoom-Account aufstocken, um überhaupt so vielen den Zugang zu ermöglichen“, erzählt Marius Künzel, Pädagogischer Leiter des Bildungspark MG.

Sie alle hören, wie Michaela Vidláková anhand einer Powerpoint-Präsentation erzählt, wie sie in eine jüdische Familie geboren wurde („Damit war ich zum Tode verurteilt“), wie ihr Heimatland, die damalige Tschechoslowakei, von Nazi-Deutschland besetzt wurde, als sie gerade zwei Jahre alt war und welche Verbote nach und nach den Alltag ihrer Familie erschwerten. „Was mich als Vierjährige besonders hart getroffen hat: Ich durfte nicht mehr auf Spielplätze und nicht mehr mit Nicht-Juden spielen. Wenn ich auf der Straße jemandem ‚Hallo‘ gesagt habe, hat niemand zurückgegrüßt. Als wenn ich überhaupt nicht da wäre.“

Im Dezember 1942 wurden die Vidlákovás schließlich nach Theresienstadt deportiert, in ein sogenanntes Sammel- und Durchgangslager. „Es war Glück, das es mir erlaubt hat, am Leben zu bleiben.“ Denn gleich mehrfach stand ihre Familie vor der Weiterfahrt gen Osten – ins Vernichtungslager Auschwitz. Zudem erkrankte Michaela Vidláková in Theresienstadt gleichzeitig an Typhus, Scharlach und Masern, verbrachte ein Jahr lang auf der Krankenstation und bekam dann auch noch Gelbsucht. Jede einzelne dieser Krankheiten konnte in Theresienstadt tödlich sein.

Die 85-Jährige erzählt all dies auf gutem Deutsch, obwohl sie nie einen Deutschlehrer hatte – jedenfalls keinen im herkömmlichen Sinne. Auf der Krankenstation in Theresienstadt freundete sie sich damals mit einem fünfjährigen Waisenjungen aus Berlin an. „Er konnte nicht tschechisch und ich nicht deutsch sprechen, aber wir haben uns verständigt und uns gegenseitig die jeweils andere Sprache beigebracht“, erklärt sie.

Eindrücklich und mit vielen Details erzählt Michaela Vidláková ihre persönliche Familiengeschichte des Holocaust, an dessen Ende im Jahr 1945 von den 1.000 Menschen, die in dem gleichen Transport nach Theresienstadt waren wie sie und ihre Familie, noch 72 lebten. Die anderen 928: ermordet von den Nationalsozialisten, so wie insgesamt unglaubliche sechs Millionen Juden.

„Die Toten können nicht sprechen. Ich bin am Leben und habe die Pflicht, weiterzuerzählen, was Menschen anderen Menschen angetan haben“, sagt Vidláková, die sich in Sorge über den zuletzt wieder gewachsenen Antisemitismus zeigt. „Ich weiß, wohin dieser Hass führen kann. Jedes Böse fängt in kleinem Rahmen an. Wenn man es bekämpft, solange es noch klein ist, siegt man leichter“, sagt sie und nimmt die zuhörenden Schülerinnen und Schüler in die Pflicht: „Ihr seid jetzt ‚Zweitzeugen‘. Erzählt meine Geschichte weiter.“

Die ausführliche Reportage zum Zeitzeugengespräch und weiteren Workshops des Bildungspark MG lest ihr in der Mitte Februar erscheinenden 76. Ausgabe des „FohlenEcho - Das Magazin“. Du willst auch Borussias exklusives Mitgliedermagazin regelmäßig im Briefkasten haben? Dann mach dich Borussia.



Bildungspark MG

Der Bildungspark MG existiert seit 2017 und ist Teil des Lernort Stadion e.V.. Dieser hat sich zur Aufgabe gemacht, politische Bildung in die Stadien in Deutschland zu bringen. Träger des Projekts ist der De Kull Jugendhilfe e.V.. Borussia ist finanzieller und praktischer Förderer sowie mit den zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten im BORUSSIA-PARK Gastgeber des Bildungspark MG.

Folgende Workshops für Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 13 und 21 Jahren bietet der Bildungspark MG an:

  • „Der Ball im Netz“: Umgang mit Social Media und Hate Speech
  • „Abseits“: Antidiskriminierung
  • „Dopingprobe“: Suchtprävention
  • „Rudelbildung“: Teambuilding und Gewaltprävention
  • „Queerlatte“: Geschlechterrollen
  • „Zweitzeug*innen im Fußball“: Antisemitismusarbeit
  • „Green Football“ – Nachhaltigkeit

Inzwischen haben bereits über 5.000 Schülerinnen und Schüler von knapp 50 verschiedenen Schulen in über 200 Workshops gearbeitet und gelernt. „Der Bildungspark MG ist ein absolutes Vorzeigeprojekt im Bereich der sozialen Arbeit von Borussia und in der Stadt Mönchengladbach das einzige Projekt, das gesellschaftspolitische Arbeit dieser Art anbietet“, sagt Markus Frieben, Bereichsleiter Corporate Social Responsibility (gesellschaftliche Unternehmensverantwortung) bei Borussia.

Weitere Informationen, Kontakt und Anmeldung zu den Workshops unter www.bildungsparkmg.de


Zweitzeugen e.V.

Zweitzeugen e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der junge Menschen anhand einfühlsam weitererzählter Holocaust-Überlebensgeschichten die Wesentlichkeit von Akzeptanz lehrt. Der Verein ermutigt die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch das Weitergeben der Geschichten selbst zu zweiten Zeug*innen, zu Zweitzeug*innen, zu werden, sich gegen Rassismus wie Antisemitismus stark zu machen und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Über 12.000 Kinder und Jugendliche sind so schon zu Zweitzeug*innen geworden und tragen die persönlichen Holocaust-Geschichten weiter.

Marius Künzel, Pädagogischer Leiter des Bildungspark MG im Gespräch mit FohlenEcho-Redakteur Torsten Franken.
Die 85-jährige Michaela Vidláková hat den Holocaust überlebt und gibt ihre persönliche Geschichte an die jüngere Generation weiter. Foto: Zweitzeugen e.V.
Über 300 Schülerinnen und Schüler verfolgten interessiert und betroffen den Erzählungen von Michaela Vidláková.

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