Ein Relikt aus einer schönen Zeit

Beim Event „Die Legenden des Parks“ am Samstag, 17. Dezember, im BORUSSIA-PARK werden zahlreiche Publikumslieblinge für das Legenden-Team auflaufen. Wir huldigen einigen von ihnen in persönlichen Porträts. Heute: Juan Arango

So ein Fußballer, wie es Juan Arango war, wird heute gar nicht mehr gebaut. Das klingt ein bisschen komisch, denn so lange ist es gar nicht her, dass er für Borussia gespielt hat. Im Mai 2014 war das, und doch ist Juan Arango ein Relikt aus einer schönen Zeit, in der die Stimmung bei Borussia nach vielen trüben Jahren richtig euphorisch wurde. In der Borussia von einer grauen Maus und einem Beinahe-Absteiger zu einem ernstzunehmenden Anwärter für den Europapokal geworden ist. Da war er gemeinsam mit Marc-André ter Stegen, Martin Stranzl, Dante und Marco Reus wichtiger Teil einer großartigen Mannschaft, auf die wir in 40 Jahren vermutlich ähnlich ehrfürchtig blicken wie heute auf die große FohlenElf der Siebzigerjahre.

Ich mag diese Floskel eigentlich nicht, aber: Juan Arango war einer dieser Spieler, für die man ins Stadion geht. Ein bisschen Anarcho, ein bisschen rebellisch, technisch fantastisch und ganz viel Straßenfußballer. Im heutigen Fußball, der jedes Detail bis in den letzten Winkel hinein durchleuchtet und bespricht, würde er in der Taktikbesprechung bei allem Gerede über die abkippende Sechs, die falsche Neun, die Schienenspieler und irgendwelche asymmetrischen Spieler den Ball einfach an die Latte zimmern, noch bevor das Wort asymmetrisch überhaupt ausgesprochen ist. Dann hätte er seinen typischen gelangweilten Blick aufgesetzt, der ohne Worte alles sagt: „Was willst du von mir? Wollen wir Fußballspielen oder wollen wir erzählen?“

Juan Arango war ohne jeden Zweifel ein Feingeist und kein Mann für die Taktiktafel. Vom Papier her hätte ein Fußball-Analytiker wie Lucien Favre an einem wie Juan Arango eigentlich verzweifeln müssen. Aber dennoch haben die beiden unheimlich voneinander profitiert – auch wenn sie sich taktisch vielleicht nicht verstanden haben. Natürlich wusste auch Favre, dass dieser Venezolaner mit diesem unglaublichen linken Fuß einfach zu gut ist, ein Genie.

Arango war alles zuzutrauen

Für mich unvergessen, als Juan Arango im Heimspiel gegen Mainz den Ball von der linken Seitenauslinie im Fallen ins Tor geschossen hat, aus gefühlt 45 Metern. Bei allen anderen hätte man gesagt: Glückstor. Aber Juan war alles zuzutrauen. Welche Fußhaltung hat man überhaupt bei einem solch wahnwitzigen Schuss, bei dem der Ball wie ein Ufo vom Himmel segelt? Egal, nach diesem Treffer ist Favre jubelnd auf den am Boden liegenden Torschützen zugelaufen und hat ihn geherzt, so als wolle er sagen: „Wie hast du das wieder gemacht, du Teufelskerl? Doch solltest doch querspielen, und jetzt machst du das! Das ist ja unglaublich!“

Es gab in Borussias jüngerer Geschichte wohl keinen Spieler, der derart in der Lage war, für Überraschungsmomente zu sorgen. Er war jemand, der in einem total ausgeglichenen Spiel mit einem einzigen besonderen Moment für drei Punkte sorgen konnte. Es gab so viele Spiele unter Lucien Favre, in denen sich beide Mannschaften ewig unter dem Motto „Die Null muss stehen“ abgetastet haben. Und dann hat entweder Filip Daems einen Elfmeter reingehauen oder Arango wieder mal einen Distanzschuss, oder, noch besser, einen Freistoß reingemacht. Solche Überraschungsmomente sind selten geworden. Im Fußball überhaupt, aber auch bei uns. Ein Tor aus dem Nichts zu schießen ist eben schwer, wenn man keinen Arango im Team hat.

Bei seinen Freistößen wusste man: Der geht entweder rein oder ganz knapp vorbei. Der Torwart war für den Schützen, für diese Situation nur Beifang oder Statist. Dass ein Torwart einen Freistoß von ihm halten würde, diese Möglichkeit gab es einfach gar nicht. Oder anders formuliert: Wenn der Ball nicht ins Tor ging, dann lag es nicht am Torwart, sondern immer an Arango selbst.

Das personifizierte Achselzucken – aber genial

Dazu diese Körperhaltung! Juan Arango war immer das personifizierte Achselzucken. Wenn der Ball da war, ist er explodiert. Aber sonst hat er irgendwie eine völlig egale Haltung ausgestrahlt. Er ist manchmal über den Platz getrabt wie Robert Geiß bei einem Prominentenspiel. Dazu dieser Blick, die hängenden Schultern und heruntergelassenen Stutzen. Alles an ihm hat ausgestrahlt: Ich halte mich an gar nichts, ich mache hier mein eigenes Ding. Dass das natürlich nicht stimmt und auch Arango im Spiel gegen den Ball mitgemacht hat, ist ja auch klar.

Das Divenhafte an Juan Arango romantisieren wir heute vielleicht ein wenig. Natürlich haben wir damals auch gesagt: Boah Junge, gib doch mal drei Prozent mehr an einem regnerischen Sonntag in Augsburg. Aber vermutlich hätte er, wenn er das getan hätte, bei Real Madrid gespielt und nicht bei uns.

Juan Arango ist eine echte Ikone bei Borussia. Sehen Borussia-Fans die „18“, denken sie an ihn, und die pure Nennung seines Namens sorgt überall für ein Lächeln – bestimmt auch, weil sein Name wie gemacht ist dafür, ihn im Stadion laut auszurufen. Und wenn es einmal Freistoß gibt für uns, dann sagt immer mindestens einer im Block: „Jetzt sowas wie Arango“ – und alle lächeln selig. Er kam mit dem Beinamen „Der Hurrikan der Karibik“ zu uns – und hat diesen in jeder Hinsicht bestätigt: Spektakuläre Tore, Vorlagen und atemberaubende Aktionen am Ball pflasterten seinen Weg.

Dass Juan Arango für das Legendenspiel zugesagt hat, ist großartig. Denn es zeigt, dass nicht nur wir ein großes Herz für ihn haben, sondern dass Borussia auch ihm etwas bedeutet. Er mag immer wie sein eigener Planet gewirkt haben und dass ihm alles um ihn herum egal ist. Dass es nun aber die weite Reise auf sich nimmt, um noch einmal in unserem Trikot zu spielen, finde ich wirklich beeindruckend. Ich bin total dankbar, ihn fünf Jahre als Spieler von Borussia erlebt zu haben – und ich bin auch sehr dankbar für dieses Wiedersehen am 17. Dezember. 

Autor: Tommi Schmitt ist Autor, Podcaster, TV-Moderator – und war von 2012 bis 2014 Volontär in Borussias FohlenEcho-Redaktion.

Dieser Text ist ein Porträt aus dem aktuellen „FohlenEcho – Das Magazin“. Du willst regelmäßig das exklusive VfL-Mitgliedermagazin im Briefkasten haben? Dann mach dich Borussia!

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