Eine Büchse beendet alle Träume

Heute vor genau 50 Jahren: Borussia schlägt Inter Mailand 7:1, das Spiel wird aber annulliert, weil Gäste-Mittelstürmer Roberto Boninsegna von einer Dose getroffen wird.

Am 20. Oktober 1971 ereignen sich auf dem Bökelberg 90 Minuten für die Ewigkeit. 27.500 Zuschauer erleben ein Fußballspiel, das eher einer Demonstration höchster Spielkunst gleichkommt. 7:1 steht es am Ende zwischen Borussia und Inter Mailand. Das Ergebnis wird später annulliert, ist aber dennoch bis heute allgegenwärtig. Das vielleicht beste, mit Sicherheit aber das meistdiskutierte Spiel in der Vereinsgeschichte der Fohlen ist untrennbar mit einer der größten sportlichen Tragödien verbunden. Auslöser ist eine einfache Cola-Dose.

Borussia nimmt gegen Weltklasse-Team aus der Lombardei sofort das Heft in die Hand. Schon früh haben die Fans den Torschrei auf den Lippen, doch Hartwig Bleidick trifft den Innenpfosten. Die logische Folge des Sturmlaufs ist das 1:0 in der siebten Minute. Jupp Heynckes ist es letztlich, der die Kugel ins leere Tor schiebt. Den Gästen gelingt mit ihrer ersten Chance der Ausgleich. Roberto Boninsegna trifft einen Freistoß durch die Mauer an Keeper Wolfgang Kleff vorbei ins Eck. Der Ausgleich schockt die Borussen aber nicht, sie gehen fast im Gegenzug wieder in Führung: Ulrik Le Fevre wuchtet den Ball per Kopf aus gut neun Metern ins Tor.

Inter spielt unter Protest weiter

Es folgt der Moment, der diese Partie prägen soll wie kein anderer. Spielminute 28: Der Ball ist im Aus, Boninsegna und Ludwig Müller liefern sich eine kleine Rangelei um den Einwurf. Da fliegt die Cola-Dose in Richtung Spielfeld und trifft den italienischen Starstürmer angeblich am Kopf. „Er sah sich erst kurz um und dann hörte ich, wie ein Mitspieler ihm zuflüsterte, er solle sich fallen lassen, erst dann ging er zu Boden“, berichtet Müller später. Inters Mannschaftsarzt und ein Betreuer transportieren Boninsegna ab. „Als sie ihn vom Platz geschafft haben, habe ich gesehen, wie dieser Schauspieler seinem Teamkollegen mit dem Auge zugezwinkert hat“, erzählt Müller. Inter erklärt den Angreifer hinter verschlossener Kabinentür für spieluntüchtig und signalisiert auf dem Feld, nur unter Protest weiterzuspielen. Schiedsrichter Dorpmans pfeift die Partie erst wieder an, als die Polizei einen Tatverdächtigen festnimmt. Ein 29-Jähriger aus Brüggen am Niederrhein, der in Block B auf der Vortribüne gesessen hat, soll die Dose geworfen haben.

Insgesamt sieben Minuten ist die Begegnung unterbrochen. Borussia spielt danach weiter, als wäre nichts passiert. Nach einer Ecke von Kulik ist erneut Le Fevre mit dem Kopf zur Stelle und erhöht auf 3:1. Die Italiener gehen zum Ende der ersten Hälfte äußerst ruppig zu Werke. Doch auch mit der rustikaleren Gangart können sie den wie entfesselnd aufspielenden Borussen nicht begegnen. In der 40. Minute zirkelt Netzer einen Freistoß aus 25 Metern über die Mauer hinweg ins Tor. Nur zwei Minuten später setzen sich Berti Vogts und Kulik mit einer Kombination im Mittelfeld durch, Vogts bringt das Leder nach innen, wo Heynckes keine Mühe hat, es aus kurzer Distanz über die Linie zu drücken. Zur Halbzeit führt Borussia gegen den Favoriten aus Mailand sensationell mit 5:1.

Überragender Netzer

Borussia knüpft nach der Pause nahtlos an die Gala der ersten Hälfte an. In der 52. Minute macht der überragende Netzer das halbe Dutzend voll. Nach einem Zuspiel von Heynckes lässt der Mittelfeldregisseur dem eingewechselten Torwart Ivano Bordon aus elf Metern keine Abwehrchance. Mit fortlaufender Spieldauer nimmt die FohlenElf einen Gang heraus, hat das Geschehen aber weiter unter Kontrolle. Den Schlusspunkt unter das denkwürdige Spiel setzt Klaus Sieloff, der in der 82. Minute einen Foulelfmeter verwandelt. Der so gefürchtete italienische Abwehrriegel, der Catenaccio, ist am Bökelberg in seine Einzelteile zerbrochen. „Wir haben mit dem Tempo-Spiel unserer Stürmer vom Anpfiff weg das Spiel in die Hand genommen“, analysiert Trainer Weisweiler.

Italiener legen Protest ein

Während internationale Lobeshymnen auf den VfL niederprasseln, tritt Inters Vize-Präsident Prisco vor die Presse: „Borussia ist eine spielerisch sehr starke Mannschaft, die sicherlich verdient gewonnen hat“, sagt er. „Allerdings wäre unser Spiel ohne das Ausscheiden von Boninsegna auf jeden Fall besser gelaufen.“ Der italienische Meister legt bei der UEFA Protest gegen das Spiel ein.

Tagelang bangt Borussia. Die deutschen Medien durchforsten die Paragrafen der UEFA-Regularien, doch sie finden nichts. Die UEFA-Disziplinarkommission wird also einen Präzedenzfall schaffen. In Genf verhandelt das fünfköpfige Gremium sieben Stunden lang, ehe um 1 Uhr nachts das Urteil bekannt gegeben wird: Das Spiel wird annulliert und soll am 1. Dezember 1971 in einem neutralen Land wiederholt werden. Die UEFA bestimmt Bern als Austragungsort. Borussia erhält obendrein eine Geldstrafe von 10.000 Franken. Es ist das erste Mal in der Geschichte des europäischen Fußballs, dass ein Spiel annulliert wird. „Borussia trägt zwar nicht die Schuld, wohl aber die Verantwortung für den Büchsenwurf“, begründet der Vorsitzende der Kommission, Dr. Sergio Zorzi.

Fassungslose Borussen

Der Schock bei Borussia sitzt tief. „Das kann doch nicht wahr sein“, ärgert sich Sieloff. Auch Torwart Kleff ist fassungslos. „Da braucht sich nur einer fallen lassen und schon wird ein Spiel annulliert“, sagt er. Trainer Weisweiler empört sich: „Wir wurden verschaukelt. Unsportlicher geht es nicht. Mit solch einem harten Urteil hätte ich nie gerechnet.“

Gegen das Urteil legt Borussia vergeblich Berufung ein. Es bleibt bei der Platzsperre, der Annullierung und der Geldstrafe. Allerdings darf Borussia das Wiederholungsspiel auf deutschem Boden, in Berlin, austragen. Doch auch die Unterstützung von 80.000 Fans hilft nichts. Das Wiederholungsspiel endet 0:0. Zuvor entscheidet Inter das Rückspiel in San Siro mit 4:2 für sich. Borussia scheidet in der zweiten Runde des Landesmeister-Pokals aus. Dieses Spiel aber, das am Ende nicht gültige 7:1 im Hinspiel, wird unvergessen bleiben. In diesen 90 Minuten ist ein gehöriges Stück des Mythos Borussia geboren worden, der auch 50 Jahre später unvergessen ist.

Günter Netzer lieferte ein überragendes Spiel ab. Foto: Horstmüller
Insgesamt sieben Minuten ist die Begegnung unterbrochen, bis Roberto Boninsegna auf einer Trage in die Kabine gebracht wird. Foto: Witters
Rainer Bonhof läuft jubelnd mit dem Ball ins Tor. Foto: Horstmüller

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