„Tore für die Ewigkeit“: Der Tiger bricht den Bann

In der Saison 1995/96 leitet Stefan Effenberg mit seinem Treffer zum 1:0 den Auswärtssieg gegen Bayern München ein, den ersten Erfolg in München nach 32 missglückten Versuchen in 30 Jahren – und wird so Teil der aktuellen FohlenWelt-Sonderausstellung „Tore für die Ewigkeit“.

Borussias Manager Rolf Rüssmann lässt den Blick über die Tribünen des Münchner Olympiastadions schweifen. Fast überall auf den Rängen herrscht gähnende Leere, das Flutlicht ist längst erloschen, doch in einer Kurve ist die Party in vollem Gange. Es ist 17:50 Uhr, das Spiel ist seit einer halben Stunde vorbei, nach Hause wollen die VfL-Anhänger aber noch lange nicht, denn sie waren Augenzeugen eines historischen Sieges. 30 Jahre mussten sie darauf warten, dass Borussia den großen FC Bayern München auswärts schlägt, und an diesem Tag, es ist der 14. Oktober 1995, ist es dank eines 2:1 endlich so weit. 8.000 mitgereiste und nun beseelte Fans singen „Karneval in Gladbach“, und Rüssmann kommt aus dem Grinsen nicht heraus. „Unglaublich, oder?“, staunt der Manager.

Die Voraussetzungen hätten vor dem Duell mit dem Rekordmeister jedoch besser sein können. Das größte Fragezeichen vor der scheinbar unlösbaren Aufgabe in München steht hinter der Offensive. Improvisationstalent ist aufgrund des Ausfalls von Stürmer Martin Dahlin gefragt, doch hat man in Bernd Krauss einen Trainer, der für mutige Kniffe bekannt ist.

Eine Idee hatte der Coach auch im Hinblick auf die Anreise nach München: „Wir fliegen nicht schon freitags dorthin, sondern werden uns, ganz wie bei einem Heimspiel, zuhause vorbereiten und die Nacht in unserem gewohnten Hotel in Breyell verbringen. Erst Samstagmorgen fliegen wir dann nach München. Mal sehen, ob das hilft“, so Krauss. „Seit 30 Jahren fahren wir dorthin, und noch kein einziges Mal haben wir gewonnen. Irgendwann aber muss der Knoten doch platzen.“ Solche Änderungen vor Gastspielen bei den Münchnern sind bei den Fohlen nichts Neues. Übernachtet wurde schon in den verschiedensten Hotels (Rüssmann: „Ich glaube, in München haben wir alles durch.“), außerdem wurde immer wieder an den Reisezeiträumen gedreht, um vielleicht diesen einen Nerv im Team zu treffen, der der unsagbaren Negativserie ein Ende setzen kann.

„Die Bayern sind überreif“

6:30 Uhr: Die Wecker klingeln, der lange Tag beginnt. Es ist „die schwierigste Aufgabe, die es für Borussia anscheinend gibt“, sagt Krauss, der sich mit seinem Team um 8:00 Uhr zum Flughafen in Düsseldorf aufmacht, wo eine private Chartermaschine eines Sponsors auf die FohlenElf wartet. Zwei Stunden später landet der Borussia-Tross in München, gönnt sich noch ein Mittagessen und ein kurzes Schläfchen im Hotel, bevor er um 14:10 Uhr in Richtung Olympiastadion fährt. Auf der Tribüne warten schon die Anhänger auf den Anpfiff, einige von ihnen in T-Shirts bedruckt mit dem Satz „30 Jahre ohne Sieg in München“ – ein bisschen Selbstironie bleibt bei dieser Statistik nicht aus.

Das Ende der dunklen Serie soll ausgerechnet eine Doppelspitze aus zwei ehemaligen FCB-Spielern besiegeln: Michael Sternkopf, erst vor der Saison aus München gekommen, und Stefan Effenberg, der als Notlösung im Angriff aushilft und vor dem Anpfiff ankündigt: „Die Bayern sind überreif.“

Während die Heimmannschaft mit der von Trainer Otto Rehhagel implementierten kontrollierten Offensive Borussias Viererkette ausspielen will, versuchen die Fohlen ihre Stürmer in Szene zu setzen, sobald sich auch nur der kleinste Raum dafür ergibt – und das tut er in der 15. Spielminute. Sternkopf hat bei einem Konterversuch den Ball im Dribbling kurz vor dem Strafraum fast schon verloren, grätscht aber noch einmal hinterher. Gegenspieler Ciriaco Sforza verhält sich zu zögerlich, wodurch der Borusse die Kugel zu Effenberg spitzeln kann. Der zieht direkt, aber überlegt mit der rechten Innenseite ab. Oliver Kahn im Tor der Bayern kann den platzierten Schuss nur noch berühren, aber nicht mehr abwehren. So schlägt der Ball unter der Latte ein und Borussia führt 1:0. Der Torschütze reckt beide Zeigefinger in die Höhe, verzieht dabei jedoch kaum eine Miene, während der Gästeblock ausrastet. Ein Fan hält bereits sein Banner mit der Aufschrift „1. Sieg nach 30 Jahren“ bereit. Es folgen ein Eigentor von Andreas Herzog (81.) und der Anschluss von Jean-Pierre Papin (90.). Dann ist der Moment da, auf den die Fans seit 32 Aufeinandertreffen in München warten: der erste Sieg beim FC Bayern überhaupt.

Erst Liegestütze, dann Weißwürste

Manager Rüssmann schwärmt nach dem historischen Augenblick: „Wegen seiner Leistung und der Wirkung ist Effe mit Matthias Sammer gleichzusetzen.“ Und Letztgenannter ist immerhin amtierender Fußballer des Jahres in Deutschland. Mit dem Treffer und einer kämpferischen Leistung über 90 Minuten ist es für Effenberg aber nicht getan. Den Fans hatte er 50 Liegestütze für den Fall eines Sieges versprochen, also löst er diese Wettschuld vor der Kurve ein – zumindest versucht er es. Nach neun Liegestützen, die der ganze Block lautstark mitzählt, verlassen ihn und seine Teamkameraden, die ihn beim Workout unterstützen, die Kräfte. Der Freude über das gerade Erreichte tut das aber keinen Abbruch. „Wir haben Geschichte geschrieben“, strahlt Sternkopf, während sich Torhüter Uwe Kamps sammeln muss: „Ich war den Tränen nahe. Ich habe nicht mehr damit gerechnet, dass ich das vor dem Ende meiner Karriere noch erlebe.“

Nach der Partie geht es für den Keeper gemeinsam mit Karlheinz Pflipsen und den beiden Spielern des Spiels, Sternkopf und Effenberg, zum Boxkampf von Henry Maske in München, und das soll längst nicht die einzige Belohnung für die Borussen bleiben: VfL-Präsident Karl-Heinz Drygalski verspricht neben der Punktprämie eine „zusätzliche Belohnung mit ganz außergewöhnlichem Charakter“, ohne dabei konkret zu werden. Außerdem dürfen sich die Fohlen über ein Gastgeschenk der Bayern freuen. Von langer Hand geplant, bekommen sie Unmengen an Weißbier, Brezeln und Weißwürste, die sie mit nach Hause nehmen dürfen – eine versprochene Prämie für Borussias Pokalsieg wenige Monate zuvor, der dem Rekordmeister die UEFA-Cup-Teilnahme gesichert hatte. Mit bayrischen Schmankerln im Gepäck können die Fohlen eine Party starten lassen – eine Feier, auf deren Anlass Borussia eine gefühlte Ewigkeit warten musste.  

Dieser Text ist eine stark gekürzte Version aus dem Magazin „Tore für die Ewigkeit“, das für 14,95 € online und in allen FohlenShops erhältlich ist. Die gleichnamige FohlenWelt-Sonderausstellung ist aktuell in Borussias interaktivem Vereinsmuseum zu sehen.

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Stefan Effenberg und Michael Sternkopf jubeln über den ersten Sieg in München.

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